Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat auf die Revision des Angeklagten in einem sehr gut begründetem Beschluss zu der Frage Stellung genommen, inwieweit ein drohender Widerruf einer ausgesetzten Freiheitsstrafe in einer anderen Sache eine erörterungspflichtige Wirkung i.S.d. § 46 I 2 StGB in der aktuellen Entscheidung darstellt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. 9. 2010 – III-3 RVs 117/10).

Aus den Gründen:

„Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Wertung ist im Zweifelsfall zu respektieren (…). Das Revisionsgericht darf jedoch dann eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils in sich rechtsfehlerhaft oder lückenhaft sind, was dann der Fall ist, wenn der Tatrichter tragende Strafzumessungsgründe nicht bzw. nicht vollständig bedacht und erörtert hat (…).

Dies ist vorliegend im Hinblick auf § 46 Absatz I 2 StGB der Fall, wonach „die Wirkungen, die von der Strafe für das zukünftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind”, berücksichtigt werden müssen. Zu diesen Wirkungen gehört nach herrschender – und auch vom Senat in st. Rspr. vertretener – Meinung der wegen der Verurteilung drohende Widerruf einer ausgesetzten Freiheitsstrafe in anderer Sache (sog. „Kumulationswirkung” (…)). Diesen Umstand hat die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung vollständig unberücksichtigt gelassen, obwohl der Angeklagte die abgeurteilten Taten während des Laufes von gleich vier Bewährungszeiten begangen … deshalb den Widerruf aller dieser Strafaussetzungen und damit eine zusätzliche Haftzeit von annähernd zwei Jahren zu erwarten hat.

Der in diesem Zusammenhang vereinzelt vertretenen Gegenansicht, nach der der Angeklagte, der in der Bewährungszeit im Bewusstsein der Widerrufsmöglichkeit eine erneute Strafe begeht, wegen des drohenden Widerrufs keine Nachsicht erwarten könne (…), ist nicht beizutreten. Denn zum einen ist schon dem Wortlaut des § 46 Absatz I 2 StGB eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. Zum anderen und vor allem aber ist ein derartiges Normverständnis mit dem Strafzweck der Resozialisierung nicht zu vereinbaren. Dass die Stärkung der Fähigkeit und des Willens zu verantwortlicher Lebensführung nur dann realistisch erscheint, wenn bei der Strafzumessung auf die Dauer der zu erwartenden Gesamtvollstreckung Rücksicht genommen wird, liegt jedenfalls dann auf der Hand, wenn die Länge der auf Grund bevorstehenden Widerrufs zu verbüßenden Haft diejenige der neu verhängten Strafe – wie vorliegend – um ein Mehrfaches übersteigt“ (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. 9. 2010 – III-3 RVs 117/10).

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