Bei der Bearbeitung von Revisionen im Strafrecht sind seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verständigung im Strafverfahren im Jahre 2013, formelle Rügen, die ein solches Verständigungsgeschehen betreffen, besonders häufig erfolgreich.

Verstoß gegen § 243 IV StPO

Einen Teilausschnitt macht dabei die Rüge aus, dass, entgegen der Verpflichtung aus § 243 IV StPO, über Verständigungsgespräche, die letztlich gescheitert sind, nicht in öffentlicher Hauptverhandlung berichtet wurde. Gemäß § 243 IV StPO muss nämlich der Vorsitzende Richter teilt mitteilen, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt, wobei diese Pflicht auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung gilt.

Mitteilungspflicht aus § 243 IV StPO

Zu dem mitzuteilenden Gesprächsinhalt gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts u.a., von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde (NJW 2013, S. 1058 (1065)).

Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei im Vorfeld der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit oder die Umstände einer Verständigung im Raume stehen (vgl. insgesamt: BVerfG, NJW 2013, S. 1058 (1065)).
Abzugrenzen sind solche Erörterungen, bei denen ein Verfahrensergebnis einerseits und ein prozessuales Verhalten des Angeklagten andererseits in ein Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne von Leistung und Gegenleistung gesetzt werden, von sonstigen verfahrensfördernden Gesprächen, die nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung abzielen (BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15, NStZ 2015, 535, 536). Gegenstand solcher unverbindlichen Erörterungen kann insbesondere der in einem Rechtsgespräch erteilte Hinweis auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses sein (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10).

Die Mitteilungspflicht aus § 243 Absatz 4 Satz 1 StPO greift bei sämtlichen Vorgesprächen ein, die auf eine Verständigung abzielen. Auch der Sinn und Zweck der Norm gebietet insoweit keine Einschränkung der gesetzlichen Mitteilungspflicht, denn der Angeklagte, die Schöffen und die Öffentlichkeit haben auch in diesen Fällen ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis solcher Vorgespräche. Für die Willensbildung im Rahmen einer Verständigung ist für den Angeklagten auch von Bedeutung, dass er durch das Gericht umfassend über sämtliche vor der Hauptverhandlung mit den übrigen Verfahrensbeteiligten geführten Verständigungsgespräche informiert wird.

Information durch den Strafverteidiger keine Kompensation

Es kommt auch nicht darauf an, ob der Instanzverteidiger den Angeklagten über den Ablauf und den Inhalt außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche unterrichtet und so ein etwaiges Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat oder ob dies möglich gewesen wäre. Für die Entscheidung des Angeklagten, die meist mit der Frage nach einem Geständnis in der Hauptverhandlung verbunden wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob er über die Einzelheiten der in seiner Abwesenheit geführten Gespräche nur zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise von seinem Verteidiger nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, oder ob ihn das Gericht unter Dokumentation seiner Mitteilungen im Protokoll der Hauptverhandlung unterrichtet.

Beruhen des Urteils auf der Rechtsverletzung grundsätzlich anzunehmen

Grundsätzlich ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung bei einer mangelnden Mitteilung von Verständigungsgesprächen von einem Beruhen des Urteils auszugehen. Das gilt unabhängig davon, ob die Gespräche letztlich zu einer Verständigung geführt haben oder nicht.
Dabei ist die Rechtsprechung bekanntermaßen durch zwei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts im Januar 2015 konkretisiert worden. In diesen beiden Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgerichts die Bedeutung der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit für die Frage eines möglichen Beruhens eines Rechtsfehlers auf dem Urteil hervorgehoben.

Prüfungsmaßstab für den Beruhensausschluss ist aber auch, unabhängig von der Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, immer die drohende Gefahr der Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten durch das nichteingeführte Verständigungsgeschehen (ausf. BGH NJW 2015, 645, [BGH 15.01.2015 – 1 StR 315/14]. Der Angekl. solle autonom und daher nur auf der Grundlage umfassender Unterrichtung durch das Gericht über durchgeführten Gespräche darüber entscheiden, ob er den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit aufgebe und sich mit einem Geständnis des Schweigerechts begebe (BGH in BVerfG, Beschl. v. 15.1.2015 − 2 BvR 878/14; vgl. auch schon: BGH, Beschl. v. 29. 11. 2013 − 1 StR 200/13).

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