Das Landgericht Detmold hatte es versäumt, sich mit den Angaben der Angeklagten zu deren Alkoholkonsum kunstgerecht auseinanderzusetzen. Dies beanstandet der vierte Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einem Beschluss vom 7. Oktober 2014 (4 StR 397/14).

Überfall auf eine Spielhalle

„Nach den Feststellungen des (Landgerichts Detmold) erörterten die Angeklagten am Nachmittag des 12. Januar 2014 in der Wohnung der Angeklagten H. verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer jeweils prekären finanziellen Situation und tranken dabei mehrere Flaschen Bier. Durch den genossenen Alkohol enthemmt, fassten sie den Plan, in einer nahe gelegenen Spielhalle die Tageskasse an sich zu bringen und begaben sich gegen 20.00 Uhr zum Tatort. Wie abgesprochen, sprühte die Angeklagte H. in der Spielhalle der als Aufsicht tätigen Nebenklägerin aus einer mitgeführten Flasche unvermittelt Reizgas ins Gesicht, um sie außer Gefecht zu setzen und stieß sie zu Boden. Gemeinsam mit der Angeklagten A. , die nach ihr die Spielhalle betreten hatte und die ein Küchenmesser mit sich führte, versetzte sie der laut um Hilfe rufenden Nebenklägerin Schläge und Fußtritte. Als sich ein Besucher der Spielhalle, der Zeuge D., für die Angeklagten unerwartet aus dem Toilettenbereich dem Geschehen näherte und drohte, er werde die Polizei rufen, waren diese „völlig geschockt“, sahen ihren Plan als gescheitert an und rannten zur Ausgangstür. Da diese klemmte, gelang es den Angeklagten „in ihrer Panik“ nicht, sie zu öffnen; sie wandten sich zurück in den Gastraum, um einen Hintereingang zu suchen. Letztlich gelang ihnen die Flucht über ein Treppenhaus im vorderen Bereich des Gebäudes“ (4 StR 397/14).

Gericht Revisionsverfahren

Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Eine verminderte Schuldfähigkeit hat es ausgeschlossen, weil die Angeklagten planvoll und zielgerichtet vorgegangen seien. Dies zeige sich insbesondere darin, dass sie auf unvorhergesehene Situationsänderungen wie das Auftauchen des Zeugen D. adäquat reagiert hätten.

Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit

Dies beanstandet der Bundesgerichtshof mit folgenden Erwägungen:

„Der Tatrichter muss Angaben eines Angeklagten zum Alkoholgenuss, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen (…). Hält er diese dennoch für glaubhaft oder – wie hier – unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes für nicht widerlegbar, so hat er, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe, die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration zu berechnen und seiner weiteren Beweiswürdigung zugrunde zu legen (….). Daran fehlt es hier.

Blutalkoholkonzentration von 2,0 ‰

Auf Grund der Feststellungen zu Art und Menge des von beiden Angeklagten genossenen Alkohols und infolge fehlender überprüfbarer Berechnungsgrundlagen kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgeschlossen werden, dass diese zum Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 2 %o oder mehr aufwiesen. Zwar gibt es keinen gesicherten Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien regelmäßig vom Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung auszugehen ist. Bei einem Wert von über 2 % ist eine erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit aber je nach den Umständen des Einzelfalles in Betracht zu ziehen, naheliegend oder gar in hohem Maße wahrscheinlich (…). Das war hier erörterungsbedürftig.
Gewichtige psychodiagnostische Gegenindizien, die geeignet sein könnten, die Indizwirkung der Blutalkoholkonzentration für die Beurteilung der Schuldfähigkeit der Angeklagten zu relativieren, lassen sich dem Urteil entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht entnehmen. Die Wertung der Strafkammer, die Angeklagten hätten sich planvoll und zielgerichtet verhalten und auf das unvorhergesehene Hinzutreten des Zeugen D. adäquat reagiert, steht vielmehr im Widerspruch zu den Feststellungen. Danach trägt bereits das Gesamtbild der Tatausführung deutliche Züge einer spontanen und unüberlegten Handlung in „durch den genossenen Alkohol enthemmter Stimmung“. Das unerwartete Erscheinen des Zeugen D. führte dazu, dass die Angeklagten „völlig geschockt“ innehielten und sich sofort zur Flucht wandten. Es gelang ihnen nicht, die klemmende Ausgangstür zu öffnen, da sie sich „in Panik“ befanden, deshalb flüchteten sie in den Gastraum zurück in Richtung eines vermuteten Hinterausgangs und änderten danach nochmals ihre Fluchtrichtung, um dann letztlich über einen Ausgang an einem Treppenhaus zu entkommen“ (4 StR 397/14).