Eine Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Marburg wegen u.a. sexueller Nötigung hatte Erfolg. Das Landgericht Marburg hatte unberücksichtigt gelassen, dass für die sexuelle Nötigung i.S.d. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB alte Fassung die Feststellung einer finalen Verknüpfung zwischen Gewaltanwendung und sexueller Handlung notwendig ist. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung in zwei Fällen sowie wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
Die Feststellungen des Landgerichts
„Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen Oktober 1998 und dem 24. Oktober 2002 abends oder nachts in das Zimmer seiner noch nicht 14 Jahre alten Stieftochter S., zog die Bettdecke, unter der S. lag, zur Seite und forderte das Kind auf, sich auf den Bauch zu drehen. Nachdem S. dies getan hatte, ‚legte er sich auf ihren Rücken, um sich sexuell zu erregen‘. Anschließend setzte er sich an das Ende des Bettes und forderte das Kind auf, seine Unterhose herunterzuziehen und die Beine zu spreizen, was S. – ‚erneut aus Angst vor dem Angeklagten‘ auch tat. Anschließend betrachtete er den Intimbereich des Kindes und masturbierte dabei“ (BGH (2. Strafsenat), Beschluss vom 05.06.2018 – Aktenzeichen 2 StR 495/17).
Neben eines Kindesmissbrauchs hat das Landgericht den Angeklagten wegen sexueller Nötigung § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. verurteilt.
Die Entscheidung des Bundegerichtshofs: sexuelle Nötigung
Der Schuldspruch wegen sexueller Nötigung hielt nach Auffassung des 2. Senats des Bundegerichtshofs rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Entscheidung begründet der Bundesgerichtshof wie folgt:
„Die Feststellungen belegen nicht die für den Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 1 STGB a.F. erforderliche finale Verknüpfung zwischen der Gewaltanwendung und der Vornahme der sexuellen Handlung.
Der Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB a.F. in der Variante der Gewaltanwendung erfordert, dass der Täter physische Kraft entfaltet, um den als ernst erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden (…).
Die sonach erforderliche finale Verknüpfung zwischen Gewaltanwendung und sexueller Handlung ist weder ausdrücklich festgestellt noch kann sie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zweifelsfrei entnommen werden. Die Feststellungen belegen lediglich, dass der Angeklagte bei Vornahme der sexuellen Handlung physische Kraft entfaltet hat, indem er die Nebenklägerin mit seinem Körpergewicht fixierte. Darüber hinausgehende Handlungen des Angeklagten, die auf die Duldung des Sexualkontakts zielten, sind nicht festgestellt. Aus der Vornahme der sexuellen Handlung kann auch nicht zugleich auf die Anwendung von (weitergehender) Gewalt geschlossen werden (…). Dass der Angeklagte mit der sexuellen Handlung die für die Annahme von Gewalt erforderliche Zwangswirkung beim Opfer erzielen wollte, ist nicht dargetan und versteht sich angesichts des Umstands, dass die Geschädigte der Aufforderung des Angeklagten, sich auf den Bauch zu drehen, ohne Weiteres – wenngleich aus Furcht vor dem Angeklagten – entsprach, nicht von selbst“ (BGH (2. Strafsenat), Beschluss vom 05.06.2018 – Aktenzeichen 2 StR 495/17).
Das Urteil wurde insofern aufgehoben und zu neuer Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Marburg zurückverwiesen.