Eine zugegeben nicht ganz aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs, welche jedoch aktuell eine von mir zu fertigende Revisionsbegründung bereichert.
Es ging um den sexuellen Missbrauch einer Schutzbefohlenen i.S.d. § 174 StGB und die Frage, ob ein Obhutsverhältnis i.S.d. Vorschrift gegeben ist. Der Angeklagte hatte unter anderem unter Ausnutzung der fehlenden Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung mit einem Mädchen unter 16 Jahren den Beischlaf vollzogen. Er war der Trainer des Turnvereins, in dem das Mädchen Unterricht nahm.
Die Staatsanwaltschaft hatte in der Revision ohne Erfolg beanstandet, das Landgericht hätte hinsichtlich der Geschädigten nicht nur die Voraussetzungen des § 182 Absatz II Nr. 1 StGB bejahen, sondern tateinheitlich hierzu auch ein Vergehen des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener nach § 174 Absatz I Nr. 1 und Nr. 2 St6GB ausurteilen müssen, weil der Angeklagte im Turnverein Trainer der Geschädigten war und deshalb ein Obhutsverhältnis bestanden habe.
Voraussetzung für ein Obhutsverhältnis i.S. des § 174 Absatz I StGB ist jedoch, „dass ein Verhältnis besteht, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Minderjährigen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (…). Ob ein solches Obhutsverhältnis, das auch bei einer Tätigkeit als Trainer bestehen kann (…), vorliegt, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen (…)“ (BGH, Urteil vom 10. 6. 2008 – 5 StR 180/08 (LG Neuruppin)).
Diese Voraussetzungen waren jedoch nicht gegeben, weil es an der Pflicht fehlte, „die Lebensführung der Minderjährigen zu überwachen und zu leiten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurden die Trainierenden durch elterliche Fahrgemeinschaften zur Sporthalle gebracht; die betreffenden Eltern nahmen als Zuschauer am gesamten Trainingsbetrieb teil. Die Aufgabe des Angekl. im Trainingsbetrieb beschränkte sich auf die Vermittlung der turnerischen Fähigkeiten und der für den Wettkampfbetrieb erforderlichen Disziplin. Weitergehende Betreuungsaufgaben im Sinne einer Erziehungsleistung wurden von ihm weder erwartet noch tatsächlich geleistet“ (BGH, Urteil vom 10. 6. 2008 – 5 StR 180/08 (LG Neuruppin)).