In einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) auf eine Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf, geht es um die Frage, ob eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit sich auch auf die Wahrnehmungsfähigkeit hinsichtlich des kognitiven Vorsatzelements auswirkt und wie der Tatrichter diesen Umstand bei Begründung des subjektiven Tatbestandes eines Totschlags berücksichtigen sollte (BGH, Beschluss vom 27. 10. 2011 – 3 StR 351/11 (LG Düsseldorf)).

Folgendes war geschehen:

„Nach den Feststellungen half der Angeklagte am 10. 11. 2010 gegen 24 Uhr seiner erheblich alkoholisierten Ehefrau von der Toilette hoch, wobei diese niederfiel und im Badezimmer zu liegen kam. Schon zu diesem Zeitpunkt, spätestens aber im Laufe des folgenden Vormittags entschloss er sich, seine (weiterhin) so daliegende Ehefrau zu töten. Hierzu würgte er sie mehrere Minuten mit beiden Händen, so dass sie schließlich erstickte. „Entweder vor oder nach” der Tat legte er ihr ein Kissen unter den Kopf und deckte sie mit einer Decke zu. Nicht sicher ausschließen kann das Landgericht, dass der ebenfalls unter Alkoholeinfluss stehende Angeklagte „aufgebracht und derart enthemmt war, dass seine Steuerungsfähigkeit im Zeitpunkt der Gewaltausübung erheblich eingeschränkt war”“(BGH, Beschluss vom 27. 10. 2011 – 3 StR 351/11 (LG Düsseldorf)).

Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Die Revision des Angeklagten hatte mit der Sachrüge Erfolg. Hierzu heiß es:

„Auf den Vorsatz des Angeklagten, seine Ehefrau zu töten, schließt das Landgericht daraus, dass ihm aufgrund der dauerhaften und massiven Einwirkung auf deren Hals deren „lebensbedrohliche Situation … nicht habe verborgen bleiben können.” Die Art der Einwirkung lasse „keinen anderen Rückschluss zu als dass der Angeklagte mit Tötungsabsicht gehandelt hat”“ (BGH, Beschluss vom 27. 10. 2011 – 3 StR 351/11 (LG Düsseldorf)).

Nach Ansicht des dritten Senats ist diese Begründung fehlerhaft:

„Zwar ist das Würgen eines Menschen über mehrere Minuten eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, deren Lebensbedrohlichkeit für gewöhnlich ohne weiteres erkennbar ist und die deshalb grundsätzlich darauf schließen lässt, der Täter habe den Tod des Opfers beabsichtigt oder jedenfalls billigend in Kauf genommen. Rechtsfehlerfrei ist ein solcher Schluss jedoch nur dann, wenn der Tatrichter auch alle nach Sachlage in Betracht kommenden subjektiven und objektiven Umstände in seine Erwägungen einbezieht, die dieses Ergebnis in Frage stellen können; dies gilt insbesondere bei der Annahme direkten Tötungsvorsatzes (…). So versteht es sich etwa nicht von selbst, dass ein Täter, der in einem seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Maße alkoholisiert ist, noch erkennt, dass seine Gewalthandlung zum Tode des Opfers führen kann (…).

Danach hätte sich das Landgericht bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes auch damit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklgte zur Tatzeit möglicherweise unter erheblichem, seine Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss stand. Dies gilt um so mehr, als das Landgericht ein Tatmotiv nicht feststellen und nicht ausschließen kann, dass der Angeklagte seiner Ehefrau nach dem Geschehen noch ein Kissen unter den Kopf legte und sie zudeckte.

Wegen der bei dieser Sachlage erforderlichen Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände gibt der Senat dem neuen Tatrichter Gelegenheit, nicht nur zur inneren Tatseite, sondern insgesamt neue Feststellungen zu treffen“ (BGH, Beschluss vom 27. 10. 2011 – 3 StR 351/11 (LG Düsseldorf)).

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