Ein interessanter Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zur formellen Anforderung an die Unterschrift eines Richters unter der Urteilsurkunde gemäß § 275 II StPO und zu den Mindestanforderungen an die Urteilsgründe gemäß § 267 I 1 StPO (OLG Köln, Beschluss vom 19. 7. 2011 – 1 RVs 166/11)).

Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht Köln wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Geldstrafe verurteilt. Hiergegen legte er direkt Revision ein. Diese hatte aufgrund materiell-rechtlicher Fehler des erstinstanzlichen Urteils Erfolg.

Aus den Gründen:

„Zum einen fehlt es bereits an der notwendigen Prüfungsgrundlage. Denn Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gem. § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben (…).

In vorliegender Sache genügt indessen die Unterzeichnung des Urteils nicht den Anforderungen, die von der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt werden. Dieser Mangel führt – auf die Sachrüge – zur Aufhebung des Urteils (…), wenn – wie hier – nach Ablauf der Frist des § 275 Absatz I 2 StPO die Unterschrift nicht mehr nachgeholt werden kann (…).

Der erkennende Richter hat das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben (§ 275 Absatz II 1 StPO). Insoweit ist zur wirksamen Unterzeichnung ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug erforderlich, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert (…). Dazu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes; ausreichend ist vielmehr, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (…). Das setzt allerdings voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt (…). Diese Grenze individueller Charakteristik ist insbesondere bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader oder nahezu gerader) Linien eindeutig überschritten (…).

Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift weist das angefochtene Urteil nicht auf. Es ist handschriftlich lediglich mit Zeichen versehen, die keinerlei Ähnlichkeit mit einem einzigen Buchstaben oder mit einer Buchstabenfolge aus dem Namen „P” aufweisen. Sie bestehen vielmehr lediglich aus einer Art nach rechts geneigter Sinuskurve mit einer kleinen Schlaufe am unteren linken Rand des Aufstrichs.

Die angefochtene Entscheidung hält darüber hinaus aber auch deswegen materiellrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil ihr zureichende Feststellungen zum Tatgeschehen nicht zu entnehmen sind.

Ein ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug ist erforderlich

In den schriftlichen Entscheidungsgründen heißt es hierzu:

„II. Die Hauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt: [einrücken wie () AS Bl. 65 d.A.]”

Nach § 267 Absatz I 1 StPO muss grundsätzlich jedes Urteil aus sich heraus verständlich sein (…). Das tatrichterliche Urteil muss daher eine in sich geschlossene Darstellung des festgestellten Tatgeschehens enthalten (…). Bezugnahmen sind unzulässig, sofern dadurch die eigene Sachdarstellung ersetzt werden soll. Das gilt auch für die Bezugnahme auf andere Aktenteile wie z.B. die Anklageschrift (…). Mit der Anweisung an die Kanzlei: „einrücken wie Bl. …” werden die in Bezug genommenen Aktenteile nicht Bestandteil der Urteilsurkunde (…).

Soweit daher hier gebotene eigene Feststellungen durch Bezugnahmen ersetzt worden sind, fehlt es verfahrensrechtlich an einer Urteilsbegründung und materiellrechtlich an der Möglichkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (…)“ (s.h. insgesamt: OLG Köln, Beschluss vom 19. 7. 2011 – 1 RVs 166/11)).