Gemäß § 275 I 2 Strafprozessordnung muss ein Urteil spätestens fünf Wochen nach der Verkündung zu den Akte gereicht sein; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen.

Wird diese Frist nicht eingehalten und gegen das Urteil Revision eingelegt, so wird das Urteil aufgehoben, auch wenn s nicht auf diesem Rechtsfehler beruhen kann. Dies bestätigt der Bundesgerichtshof (BGH) in einer jüngeren Entscheidung.

Zum Sachverhalt:

„Das Landgericht Neuruppin sprach die Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Gewässerverunreinigung sowie wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage und den Angeklagten S in einem weiteren Fall wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen schuldig. Den Angeklagten S verurteilte es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, den Angeklagten R zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren.

Die Revisionen der Angeklagten hatten jeweils mit der Beanstandung, die Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Absatz I 2 StPO sei nicht gewahrt, Erfolg“ (BGH, Beschluss vom 9. 12. 2010 – 5 StR 485/10 (LG Neuruppin)).

Der BGH schloss sich dem Vortrag des Generalbundesanwalts an. Dieser hatte folgendes ausgeführt:

„Die verspätete Absetzung des Urteils beruht maßgeblich auf einem Irrtum über die Dauer der Hauptverhandlung; dies kann eine Überschreitung der Frist nicht rechtfertigen (…). Die bei dem Vorsitzenden und dem Berichterstatter aufgetretenen gesundheitlichen Probleme rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insoweit gilt Folgendes: Aus dem Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Neuruppin vom 17. 8. 2010 geht hervor, dass der Vorsitzende Richter in der Zeit vom 28. 6. bis zum 2. 7. 2010 und der Berichterstatter in der Zeit vom 18. 6. bis 21. 6. 2010 dienstunfähig erkrankt waren. Angesichts der den dienstlichen Äußerungen zu entnehmenden gesundheitlichen Probleme des Berichterstatters und der ‚Vereinbarung‘ zwischen Vorsitzenden und Berichterstatter, der Vorsitzende werde ‚einen Großteil der Arbeit bei der Abfassung des Urteils in vorliegender Sache selbst übernehmen‘, bestand für den Kammervorsitzenden besonderer Anlass, darauf zu achten, dass die rechtzeitige Abfassung der Urteilsgründe gesichert war. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Vorsitzende einen Unfall an der Hand erlitt, musste er dafür sorgen, dass die rechtzeitige Abfassung der Urteilsgründe gesichert ist (…). Dabei ist zu beachten, dass nicht nur der Berichterstatter, sondern alle berufsrichterlichen Mitglieder des Spruchkörpers für eine Einhaltung der Frist nach § 275 Absatz I StPO verantwortlich sind. Das Urteil muss deshalb, notfalls durch den zweiten beisitzenden Richter, abgefasst und fertig gestellt werden. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn nach den Geschäftsverhältnissen des Spruchkörpers und der Belastung seiner Mitglieder diesen das nicht möglich und zumutbar ist (…). Anhaltspunkte dafür sind den vorliegenden dienstlichen Äußerungen nicht zu entnehmen. Im Übrigen hätten auch andere Dienstgeschäfte des Berichterstatters, etwa auch die Teilnahme an einer Hauptverhandlung, zur rechtzeitigen Abfassung des Urteils zurücktreten müssen (…). Die Frist war verstrichen als das Urteil am Dienstag, den 20. 7. 2010 bei der Geschäftsstelle einging. Das Überschreiten der in § 275 Absatz I 2 und 4 StPO bezeichneten Fristen begründet einen absoluten Revisionsgrund (§ STPO § 338 Nr. 7 StPO). Dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruhen kann, ist demgegenüber ohne Bedeutung” (BGH, Beschluss vom 9. 12. 2010 – 5 StR 485/10 (LG Neuruppin)).

Der Rechtsfehler nötigte zur Aufhebung des Urteils und Neuverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Neuruppin.

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