Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf eine Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Kiel Erkenntnisse zu der Frage geliefert, unter welchen Voraussetzungen Gespräche über vorgestellte Verbrechen im Internetchat die Grenze zur Strafbarkeit nach § 30 (Strafgesetzbuch) StGB überschreiten.

Zum Tatvorwurf der Verbrechensverabredung hat das Landgericht Kiel folgendes festgestellt:

„Der Angeklagte befand sich unter der anonymen Bezeichnung „No Limit” an einem nicht näher feststellbaren Tag im Sommer 2009 zwischen 12.50 und 19.59 Uhr auf der genannten Internetplattform in einem auf seiner Festplatte in einer Textdatei gespeichert gebliebenen Chatgespräch mit einem nicht identifizierten und für den Angeklagten nicht identifizierbaren, in den Niederlanden ansässigen Mann, der im Chat als „kees” auftrat und den der Angeklagte aus einem früheren Chatkontakt kannte. In dem Gespräch tauschten die Partner Gedanken über Pläne zu Kindesmissbrauch mit extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen aus:

Beide erwogen, um einen geeigneten kindlichen Sexualpartner zu finden, ein Kind von der Straße zu nehmen; man müsse letztlich ein Kind finden, das allein an einsamer Stelle auf dem Schulweg sei. Im Hinblick auf noch unverplante Resturlaube konstatierten der Angeklagte und „kees”, dass man die Pläne wohl Ende September in die Tat umsetzen könne. Nach dem Austausch dreier kinderpornografischer Abbildungen konkretisierten sie ihr Vorhaben. Der Niederländer favorisierte, den zu entführenden Jungen an den Hoden aufzuhängen; der Junge sollte dann in seiner Qual seine Hoden selbst abschneiden. Der Angeklagte wollte den Jungen würgen, während er ihn „ficke”. Beide vergewisserten sich gegenseitig, dass sie es ernst meinten und dass „idealerweise” ein 8 Jahre alter Junge aus einer ländlichen Gegend des nördlichen Mecklenburg-Vorpommern entführt und über einige Stunden gequält werden sollte. Der Tod des Jungen sollte durch „kees” herbeigeführt werden, indem er seinen Penis dem Kind so tief in den Mund stecken würde, dass es – während der Angeklagte den Analverkehr ausübe – daran ersticken würde. Der Leichnam könnte dann im Meer versenkt werden“ (BGH, Beschluss vom 16. 3. 2011 – 5 StR 581/10 (LG Kiel)).

Aufgrund dieses Sachverhalts hat das Landgericht Kiel den Angeklagten wegen Verabredung zum Mord und anderer Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahre verurteilt. Gemäß § 30 II StGB wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Die Feststellungen des Landgerichts erfüllen nach Ansicht des Senats diese Voraussetzungen nicht:

„Eine Strafbarkeit setzt die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens 2 Personen voraus, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (…). Der Gesetzeswortlaut lässt offen, in welchem Umfang ein Verabredender die Identität seines präsumtiven Mittäters kennen muss. Dies schließt die Annahme einer Verabredung zwischen Personen, die sich lediglich über einen Tarnnamen in einem Internetchatforum kennen, nicht aus. Allerdings hat sich die bisherige Rechtsprechung des BGH, soweit ersichtlich, ausschließlich mit Fällen von den präsumtiven Mittätern bekannter Identitäten der jeweils anderen befasst (…).

Die Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung erklärt sich aus der Willensbindung der Beteiligten (…), durch die bereits vor Eintritt in das Versuchsstadium eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut entsteht (…). Der von einer solchen quasi-vertraglichen Verpflichtung ausgehende Motivationsdruck sorgt oft dafür, dass es von einer bindenden Verabredung für einen Beteiligten kaum noch ein Zurück gibt, so dass bei Angriffen auf die wertvollsten und schutzbedürftigsten Rechtsgüter schon der Abschluss der Deliktsvereinbarung durch eine Strafdrohung verhindert werden muss (…). Eine solche auf die Begehung des intendierten Verbrechens bezogene bindende Verabredung erfordert, dass jeder an ihr Beteiligte in der Lage sein muss, bei dem jeweils anderen präsumtiven Mittäter die von jenem zugesagten verbrecherischen Handlungen (…) auch einfordern zu können. Dies kann auch zwischen Personen geschehen, die lediglich unter Verwendung eines Tarnnamens kommunizieren. Solches wird sogar in etlichen Fallkonstellationen, in denen es gilt, hierdurch eine Entdeckung zu vermeiden, für die sich Verabredenden sinnvoll sein und nötigt nicht dazu, dass – etwa bei unbekannt bleiben wollenden Angehörigen verbrecherischer Organisationen – Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verabredung überwunden werden müssten. Gleiches wird naheliegend anzunehmen sein, wenn anonym getroffene Absprachen durch weitere Vorbereitungshandlungen oder deren Verabredung bestätigt worden sind. In Fällen, in denen die verabredete Tat – wie vorliegend – die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt, ist eine verbleibende völlige Anonymität freilich ausgeschlossen. Deren spätere Auflösung muss Teil des konkreten Tatplans sein. Schon hierfür fehlt es an vollständigen Feststellungen.

(…) Insbesondere ist das LG bei der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation, in der es darum geht, Verbrechensfantasie von wirklichem verbrecherischen Willen und dessen Umsetzung abzugrenzen, dem Gebot der erschöpfenden Beweiswürdigung nicht umfassend gerecht geworden (…). Seine Erwägungen vermögen deshalb nicht mehr als einen Verdacht der Verabredung zu einem Mord zu begründen (…). Die Schwurgerichtskammer hat in ihren beweiswürdigenden Erwägungen mehrere die Absprache zwischen dem Angeklagten und „kees” betreffende Umstände, die gegen deren Ernstlichkeit als Verbrechensverabredung zu erwägen gewesen wären, nicht erkennbar bedacht.

Die Absprache wurde in lediglich einem Chatgespräch getroffen zwischen Partnern, die sich nicht persönlich kannten und deren Identität nicht ohne Mitwirkung des anderen zu ermitteln war. Über einen direkten kommunikativen Zugang zu „kees” verfügte der Angeklagte nicht. Die abgesprochene Fortsetzung der Kommunikation unterblieb genauso wie die vom Angeklagten zugesagte Buchung des Ferienhauses. Das LG hat sich auch nicht mit dem zentralen Einwand des Angeklagten auseinandergesetzt, er habe sich seinen Chatpartnern immer wieder durch das Wechseln seines Nicknamens entzogen, bevor es richtig konkret hätte werden können (…).

Schließlich stößt der von der Schwurgerichtskammer als tragend herangezogene Umstand des Detailreichtums in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation der gebotenen Abgrenzung bloßer Verbrechensfantasie von verbrecherischem Willen auf durchgreifende Bedenken. Ähnlich wie in Fällen, in denen Angaben von Mittätern zu ihren Tatgenossen durch die Wiedergabe selbst erlebter Tatdetails nicht wesentlich gestützt werden (…), eignen sich detaillierte Angaben eines Fantasiebegabten über ein Verbrechen nicht unbedingt zur Entscheidung der Frage, ob sie noch Fiktion oder bereits Ausdruck verbrecherischen Willens sind. Das gilt jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, nämlich des Austauschs perverser, den eigenen Sexualtrieb und den des Kommunikationspartners aufstachelnder und befriedigender sexualbezogener Fantasien. Für die Bewertung, ob sich die Ausführungen des Angeklagten noch im Bereich solcher Fantasien bewegen, hätte der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, dass der Angeklagte bislang gegenüber Kindern nicht sexuell übergriffig geworden ist (s.h. insgesamt: BGH, Beschluss vom 16. 3. 2011 – 5 StR 581/10 (LG Kiel)).

Straflosigkeit nach § 31 Absatz I Nr. 2 StGB wäre unumgänglich

Der fünfte Senat hat davon abgesehen, den Sachverhalt neu als Verbrechensverabredung aufklären zu lassen, insbesondere, weil die Annahme einer Straflosigkeit nach § 31 Absatz I Nr. 2 StGB unumgänglich wäre:

„Der Angeklagte muss, um nach dieser Vorschrift Straflosigkeit zu erlangen, sein Vorhaben lediglich aufgegeben haben. (…) Die Aufgabe des Vorhabens ist vom Tatgericht – wie andere innere Tatsachen – beweiswürdigend aus den gesamten Umständen festzustellen. Das Erfordernis einer Erkennbarkeit nach außen ist – entgegen der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Vorstellung (BT-Dr IV/650, S. 155) – dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen (…). Die Aufgabe eines Entschlusses und deren äußere Erkennbarkeit sind ebenso zweierlei wie das Fassen eines Tatentschlusses und dessen Hervortreten nach außen (…). Es spricht gegen eine freiwillige Aufgabe des Vorhabens, wenn ein Beschuldigter bei Tatvorbereitungen entdeckt wird oder scheitert, während der Abbruch Erfolg versprechender Vorbereitungen oder ein Untätigbleiben, wonach der Bereiterklärung wenigstens vorbereitende Aktivitäten zu erwarten gewesen wären, auf einen freiwilligen Rücktritt deuten (…). Nur Letzteres ist nach den getroffenen Feststellungen anzunehmen. Der Angeklagte ist entgegen der Verabredung in keinen Chatverkehr mehr mit „kees” eingetreten und hat es entgegen der Ankündigung unterlassen, das Ferienhaus für die in Aussicht genommene Tatzeit zu buchen“ (BGH, Beschluss vom 16. 3. 2011 – 5 StR 581/10 (LG Kiel)).

Auch zu dem anderen Tatvorwurf, der dem Angeklagten gemacht wurde, weiß der Senat interessantes zu berichten. Dieser betraf die Herstellung von zur Verbreitung vorgesehener Fotos, auf denen sein 3-jähriger Sohn abgebildet war, wie er eine Salatgurke „wie beim Oralverkehr mit den Lippen fest umschließt”. Der Senat ist der Auffassung, dass mit einem solchen Foto keine sexuelle Handlung eines Kindes gezeigt wird, so dass §§ 176a III i.V.m. 176 IV Nr. 2 StGB nicht erfüllt sei.  Stattdessen läge eine Strafbarkeit nach  § 184 Absatz I Nr. 8 vor.

Dies begründet der BGH wie folgt:

„Es ermangelt der Vornahme einer sexuellen Handlung (§ 184g Nr. 1 StGB) durch ein Kind. Zwar hat der Gesetzgeber durch das Änderungsgesetz vom 31. 10. 2008 (BGBl I, 2149) auch das sexuell aufreizende Posieren von Kindern als eine solche Handlung erfasst (BT-Dr 16/9646, S. 2, 35f.). Hierzu zählen jedenfalls Vorgänge, die gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweisen (…). Für das Posieren in obszönen Stellungen ist indes die Sicht auf sexualbezogene Körpermerkmale des Kindes erforderlich (…). Solches ist bei dem vollständig bekleideten Sohn des Angeklagten nicht gegeben. Es wurde lediglich dessen Mund in eine Beziehung zu einem Gegenstand gebracht, der allein in der Fantasie eines späteren Betrachters als Darstellung des erigierten Gliedes eines Mannes begriffen werden konnte und sollte. Damit ist die Grenze zur Strafbarkeit nach § 176 StGB unter Berücksichtigung seines Schutzgedankens und der erheblichen Höhe der dort angedrohten Strafe noch nicht überschritten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Handlung als solche oder die Umstände ihrer Vornahme geeignet gewesen wären, die geschützten Rechtsgüter des Kindes zu beeinträchtigen. Dies gilt auch dann, wenn als geschütztes Rechtsgut des § 176 StGB nicht allein die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes angesehen wird (…), sondern auch sein Recht auf Achtung seiner Intimsphäre (…). Die dargestellte Handlung überschreitet unter beiden Gesichtspunkten nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB, die bezogen auf das konkrete Rechtsgut festzustellen ist.

Ein Sexualbezug der Abbildungen ist nach der rechtsfehlerfreien Bewertung des LG durch die vom Angeklagten eingestandene Verbreitungsabsicht und dessen sachverständig festgestellte insbesondere pädophile Disposition belegt. Mit den Bildern sollten die ausschließlich einschlägig interessierten Benutzer der genannten Internetplattform auf einen Oralverkehr eines Knaben an Männern angesprochen und bei ihnen ein Bedürfnis nach solchen Handlungen hervorgerufen oder verstärkt werden. Das verleiht den Fotos die Qualität pornografischer Schriften im Sinne des § 184 Absatz I StGB (…), die der Angeklagte gemäß § 184 Absatz I Nr. 8 i.V.m. Nr. 6 StGB hergestellt hat“  (BGH, Beschluss vom 16. 3. 2011 – 5 StR 581/10 (LG Kiel)).

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