Der Bundesgerichtshof hat auf eine Revision der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Ravensburg zu der Frage Stellung genommen, ob das Tatsachengericht einem Antrag, einen bereits vernommenen Zeugen zum selben Beweisthema nochmals zu vernehmen, zu entsprechen braucht. Der BGH gelangt zu dem Ergebnis, dass dies – vorbehaltlich einer Aufklärungspflicht – nicht erforderlich sei, weil ein derartiges Verlangen lediglich auf Wiederholung der Beweiserhebung abziele (BGH, Urteil vom 2. 2. 1999 – 1 StR 590–9 (LG Ravensburg)).
Folgendes hatte sich zugetragen:
„Das LG hat den Angeklaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf einer zum Nachteil der Nebenklägerin begangenen Vergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. (….) Das LG hat in den Urteilsgründen den Hilfsbeweisantrag der StA auf nochmalige Vernehmung des Zeugen R im Ergebnis ohne Rechtsfehler ablehnend beschieden. Dem liegt folgendes zugrunde:
Nach der Darstellung in der zugelassenen Anklage, wie sie im Urteil mitgeteilt wird, hat der Zeuge R die – spätere Nebenklägerin Sandra F am Abend des Tattages (13. 1. 1997) im Krankenhaus besucht; sie hat ihn gegen 20.40 Uhr zur Pforte begleitet, dabei habe sie am linken Arm eine Infusionsnadel stecken gehabt und habe die Tropfflasche an einem fahrbaren Infusionsständer mit sich geführt. Zu diesem Besuch hat das LG den Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen. Er hat ausgesagt, er wisse noch, daß er am fraglichen Abend Sandra F im Krankenhaus besucht habe, eine konkrete Erinnerung an Einzelheitendieses Besuches habe er nicht mehr. Nach Abschluß dieser Vernehmung erhob das LG auf entsprechende Beweisanträge der Verteidigung zu der Frage, ob Sandra F zum fraglichen Zeitpunkt noch an eine Infusion angeschlossen war, Beweis durch Heranziehung der Krankenakte und Vernehmung von Ärztenund Krankenhauspersonal. In ihrem Plädoyer stellte die Sitzungsvertreterin der StA den „Hilfsbeweisantrag, zum Beweis dafür, daß Sandras F am Abend des 13. 1. 97 gegen 20 Uhr noch eine Tropfflasche angehängt hatte“, den Zeugen R zu vernehmen. Diesem Antrag hat die Strafkammer im Urteil abgelehnt“ (BGH, Urteil vom 2. 2. 1999 – 1 StR 590–9 (LG Ravensburg)).
Seine Entscheidung begründet der BGH wie folgt:
„Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich nicht um einen Beweisantrag, den das Gericht nur in Bindung an die in § 244 Absatz III StPO genannten Gründen hätte ablehnen dürfen. Das im Antrag genannte Beweisthema war bereits Gegenstand der Vernehmung des Zeugen. Den Antrag, einen bereits vernommenen Zeugen zum selben Beweisthema nochmals zu vernehmen, braucht das Gericht – vorbehaltlich seiner Aufklärung – nicht zu entsprechen, weil ein derartiges Verlangen lediglich auf Wiederholung der Beweiserhebung abzielt (…).
Mit Recht beanstanden zwar die Revisionen die Auffassung des LG, der Hilfsantrag der Staatsanwaltschaft sei ein unzulässiger Beweisermittlungsantrag, weil er ins Blaue hinein gestellt worden sei, weil es nämlich auch der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zweifelhaft erschien, ob sich der Zeuge noch an die unter Beweis gestellte Tatsache erinnern konnte, und nichts dafür vorgetragen war, daß der Zeuge entgegen seiner Bekundung bei seiner Vernehmung jedenfalls an diese Einzelheit seines Besuchs doch noch eine konkrete Erinnerung habe. Indes hat es das LG mitdieser Begründung nicht bewenden lassen. Aus dem Zusammenhang der Ablehnungsgründe ergibt sich vielmehr, daß die Strafkammer über die Frage, ob eine erneute Vernehmung des Zeugen geboten ist, nach den Maßstäben des § 244 Absatz II StPO befunden hat. Dabei war das LG vom Verbot der Beweisantizipation befreit (…). Es durfte deshalb aus den im Urteil genannten Gründen für ausgeschlossen halten, daß der Zeuge sich noch an das fragliche Geschehen konkret erinnern und eine Aussage machen werde, die geeignet sein könnte, den Inhalt der Krankenakten und das Ergebnis der dazu erhobenen Beweise zu widerlegen (BGH, Urteil vom 2. 2. 1999 – 1 StR 590–9 (LG Ravensburg)).