Der Bundesgerichtshof hat auf eine Revision des Angeklagten diesem in der Sache Recht gegeben. Ein Verfahrensfehler lag vor. Die berühmte Wendung in solchen Fällen lautet aber, dass das Urteil auf diesem Fehler nicht beruhen kann, die Revision also gleichwohl unbegründet ist.
Was war geschehen:
Das Landgericht Mannheim hatte den Angeklagten C wegen Mordes und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe sowie die Angeklagte F wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Angeklagte C lauerte zu früher Stunde dem Vater der Angeklagte F auf und erschoss diesen aus nächste Nähe von hinter oder von der Seite. Der Angeklagte C wurde von der Angeklagten F und ihrer Mutter, die offensichtlich zwischenzeitig ebenfalls verstarb, zu dieser Tat angeheuert.
Der Bruder der Angeklagte F, der Zeuge M. CUwiederrum hat bei der Polizei sachdienliche Angaben zu der Täterschaft der Angeklagten gemacht. Er übergab unter anderem ein heimlich aufgezeichnetes Tonband, auf dem verdächtige Äußerungen seiner Mutter zu vernehmen waren. In der Gerichtsverhandlung berief sich der Bruder auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 StPO. Er sagte nicht aus. Das Landgericht Mannheim hat das Tonband, dessen Inhalt zwischenzeitig verschriftet war, durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt.
Durften die das? Der Bruder machte doch von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Der Tonbandmitschnitt stammte von ihm und wurde von ihm an die Polizei übergeben.
Verstoß gegen § 252 StPO?
Nein, das durften die nicht, sagt der BGH:
„Die Verlesung und Verwertung der Verschriftung des vom Zeugen M. Cu übergebenen Tonbandes verletzen § 252 StPO, wonach die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, nicht verlesen werden darf.
Das übergebene Tonband ist Teil der Vernehmung, auf die sich das Verwertungsverbot bezieht. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen (…) und von denen abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, erstreckt sich das Verwertungsverbot des § 252 StPO auch auf Schriftstücke, die der aussageverweigerungsberechtigte Zeuge bei seiner Vernehmung übergeben hat und auf die er sich – wie es der Zeuge M. Cu hier ausweislich der von der Revision mitgeteilten Niederschrift vom 16. 11. 1993 tat – bezogen hat (…). Solche Schriftstücke werden Bestandteil der Aussage. Die Sachlage ist nicht anders, als wenn ein Zeuge den Inhalt des Schriftstücks mündlich wiedergegeben hätte (…). In gleicher Weise gilt dies für die hier relevante Tonbandaufzeichnung über ein vom Zeugen mitgehörtes Gespräch, dessen Inhalt der Zeuge bei seiner Aussage hätte wiedergeben können. Auf das die Beweisinformation enthaltende Speichermedium kann es grundsätzlich nicht ankommen; denn auch andere Beweisstücke als Schriftstücke können – weil der Sache nach einer Aussage bei einer Vernehmung gleichstehend – einem Verwertungsverbot unterliegen (…). Anderes kann sich auch nicht daraus ergeben, dass der Inhalt einer Tonbandaufzeichnung nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, denn Gleiches würde etwa auch für ein in einer fremden Sprache verfasstes Schriftstück gelten, ohne dass sich daraus die Zulässigkeit der Verwertung dieses Beweismittels begründen ließe (BGH, Beschluss vom 23. 10. 2012 – 1 StR 137/12 (LG Mannheim)).
Kein Beruhen
Ist aber auch egal, alles zurück auf Anfang: Das Urteil beruht nämlich nicht auf diesem Rechtsfehler. Es lagen genügend andere Beweismittel vor, die die Täterschaft der Angeklagten belegten. Vor allem ein Geständnis der Angeklagten F. Hatte diese nur gestanden, weil der Bruder sie mittels Tonbandmitschnitt überführt hatte? Dies bleibt in dem Beschluss offen. Selbst wenn: Die Früchte (Geständnis der Schwester) des verbotenen Baums (Verlesung des verschrifteten Tonbandmitschnitts) schmecken dem deutschen Rechtssaat zu gut, als dass er sie verfaulen ließe.