Ein wirklich außerordentlich interessanter und lesenswerter Beschluss des 3. Senats des Bundesgerichtshofs, der hier ausnahmsweise wörtlich zitiert und nicht zusätzlich besprochen wird, ganz einfach deswegen, weil er für sich selbst spricht. Zum Abfassen eines Urteils heißt es:
„Zur Abfassung von Urteilsgründen hat der Bundesgerichtshof – wie vom Generalbundesanwalt und von einigen der Verteidiger zu Recht aufgeführt – bereits mehrfach entschieden, dass die Urteilsgründe nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; die Sachverhaltsschilderung soll kurz, klar und bestimmt sein und alles Unwesentliche fortlassen. Gleiches gilt entsprechend für die Beweiswürdigung, in der das Beweisergebnis nur so weit erörtert werden soll, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist, nicht aber eine Dokumentation der Beweisaufnahme vorgenommen werden soll. Ebenso wenig ist es angezeigt, zu jeder Feststellung, mag sie in Bezug auf den Tatvorwurf noch so unwesentlich sein, einen Beleg in den Urteilsgründen zu erbringen (…).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nötigt das angefochtene, knapp 1.300 Seiten lange Urteil zu dem Hinweis, dass mit dieser Rechtsprechung nicht bloß unverbindliche stilistische Maßgaben aufgestellt werden sollen, sondern dass es sich insoweit um die einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben des § 267 Abs. 1-3 StPO handelt. Die Urteilsgründe werden diesen nicht gerecht und offenbaren schwerwiegende handwerkliche Schwächen sowie grundsätzliche Verständnismängel, wenn – wie beispielsweise hier – in den Feststellungen zur Sache, die von Blatt 32 bis Blatt 414 der Urteilsgründe reichen,
- über mehr als 220 Seiten Mitschnitte von Telefongesprächen und Chatprotokolle ausführlich und teils wörtlich wiedergegeben werden;
- sich weitere 57 Seiten der Feststellungen zur Sache mit dem „Verfahrensgang“ befassen, ohne dass – mit Ausnahme weniger Ausführungen zu den Bemühungen einiger Angeklagter um einen Täter-Opfer-Ausgleich – ersichtlich wird, welche Konsequenzen sich daraus für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch ergeben könnten;
- in der „Beweiswürdigung“ die Einlassungen der Angeklagten auf mehr als 120 Seiten nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich ihrer Entstehung umfassend – einschließlich der Nachfragen von Verfahrensbeteiligten – dokumentiert werden;
- diese Einlassungen alsdann in der Würdigung der „Beweisaufnahme im engeren Sinne“ zur Bandenstruktur, den Motiven der Bandendiebstähle sowie zu den Einzeltaten erneut wiedergegeben werden;
- die bereits in den Feststellungen dokumentierten Telefongespräche und Chatprotokolle nunmehr in der Beweiswürdigung ebenfalls erneut umfänglich zitiert werden;
- die ohnehin entbehrlichen Feststellungen zum Verfahrensgang auf 50 Seiten auch noch belegt werden;
- für jeden Halbsatz der übermäßig ausführlichen Feststellungen auch zu gänzlich unwichtigen Details ein Beweismittel benannt und dessen Inhalt wiedergegeben wird.
Angesichts der zur Verurteilung gelangten zwölf Einzeltaten und der allenfalls durchschnittlich schwierigen Beweislage – die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegten Taten ganz überwiegend gestanden und lediglich die Bandenabrede sowie die Tatmotivation (Unterstützung islamistischer bzw. jihadistischer Bestrebungen in Syrien) bestritten – lässt der Umfang der Feststellungen mit gut 400 Seiten sowie der „Beweiswürdigung“, die insgesamt mehr als 720 Seiten lang ist, nur den Schluss zu, dass die Urteilsverfasser nicht die notwendige gedankliche Vorarbeit verrichtet haben, eine wertende Auswahl zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zu treffen. Gerade darin liegt aber die unverzichtbare geistige Leistung, die von einem Richter zu verlangen ist
(…). Im Übrigen zeigt sich in der dargelegten Vorgehensweise auch ein bedenklicher Umgang mit den Ressourcen der Justiz“ (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 3 StR 486/17).
Gerade aufgrund des letztgenannten hat sich der Senat offenbar dazu entschlossen, die Revision dennoch als unbegründet zu verwerfen, „weil es (…) letztlich doch noch möglich war, aus der Vielzahl überflüssiger Ausführungen diejenigen herauszufiltern, derer es zum Beleg der jeweiligen Schuld- und Rechtsfolgenaussprüche bedurfte“ (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 3 StR 486/17).